Freitag, 14. November 2025

Nur ein paar Schritte

Ein Handschuh - da liegt ein Handschuh mitten auf der Straße.
Schwarz glänzend, nass. Klar, es ist Herbst, die Nächte kalt, die Tage mild und sonnig. Das in Verbindung mit den vielen Seen hier ergibt Nebel. Also ist es klar, dass er nass ist. Ich sehe ihn, als ich am Weg zum Bahnhof die Straße entlang gehe, schon von weitem. Er liegt auf Höhe eines Hauses, von dem ich weiß, wer in ihm wohnt. Gehört er S.? Soll ich ihn aufheben, ihn an die Haustüre legen? Über den Zaun hängen? Ich bin mir nicht sicher. Beim näherkommen ändert sich mein Blickwinkel. Plötzlich sehe ich - das ist kein Handschuh, sondern ein toter, schon sehr zerfledderter Vogel, der da liegt. Das arme Tier!
Was ist passiert? Er muss gegen ein fahrendes Auto gestoßen sein, Schädelhirntrauma - tot. Den kann ich unmöglich mitten auf der Straße liegen lassen. Zu dumm, dass ich trotz der kühlen Temperaturen keine Handschuhe angezogen habe. Womit kann ich ihn aufheben? Ich bräuchte eine Schaufel, einen Karton oder etwas in der Art, um ihn von der Straße zu kratzen und ihn dann, ein paar Meter weiter, in die Büsche zu legen. Damit er nicht so ausgestellt hier liegen muss.
Doch schon zwei Schritte weiter, aus wieder neuer Perspektive - jetzt schon ganz nah - erkenne ich, es ist ein kleiner Ast mit fächerförmigen Blättern, der da liegt und kann beruhigt, meinen Weg zum Bahnhof fortsetzen.

Schon faszinierend, was im Gehirn innerhalb von ein paar Augenblicken alles abläuft.

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